O wie Orientierung
Zehn Schuljahre – mehr gibt es nicht. Danach geht es nach draußen. Adé Wildgelände, Adé Bolzplatz, Adé Stammgruppen, Adé „Du“.
Das „Sie“ an den Oberstufen oder im Beruf ist vielleicht der sichtbarste Unterschied zur FCS. Doch es steht symptomatisch für das, auf was die Schüler*innen vorbereitet werden müssen: Egal ob Zentrale Abiturprüfung oder Lehrer, egal ob Fachoberschule oder Freiwilliges Soziales Jahr. Leistung und die sogenannten Schlüssel-qualifikationen werden gefragt sein.
So muss die O nicht nur die Gelegenheit zur weiteren Einübung des Projektlernens und des Sozialen Lernens bieten, sondern vor allem auch die Möglichkeit, sich mit diesem „Außen“ auseinander zusetzen.
Die Verfasser_innen des ersten Sekundarstufen-Konzeptes haben dazu mehrere Wegmarken gesetzt: das Praxislernen, die Gruppenfahrten. Durch das Zertifikatssystem (vierteljährliche Rückmeldungen zum Lernstand in den Fächern), das neu aufgestellte Projektlernen und den FCS-Abschluss kamen nach dem Millennium weitere Marksteine hinzu.
O hieß eingangs Ober-Stufe, A Abschluss-Stufe. Das A ist sicher heute noch stimmig, doch schaut man sich die Struktur der Jahrgänge 7-9 an, könnte das O auch für „Orientierung“ stehen.
Im Alter der Pubertät geht ein Orientierungspfad sicher automatisch nach innen, ein anderer muss sich auf das Erwachsenwerden richten. Das Erwachsenwerden ist mit Reibung verbunden. Man reibt sich mit den Eltern, aber auch mit der Gesellschaft – dafür muss es auch in der Schule einen Raum geben.
Das hört sich gut an, so wie: „Jetzt denken wir Erwachsenen mit euch Jugendlichen zusammen über euer Erwachsenwerden nach!“ Jedoch stimmt das nur für die Erwachsenensicht.
Aus Sicht der Jugendlichen braucht es natürlich auch das Angebot von Nähe, aber vor allem das Angebot von vertrauensvoller Distanz. Man braucht Grenzen, aber auch Freiraum. Man muss sich beweisen können. Darum geht es in der Orientierungs-Stufe.
Die O ist sicher der „normierteste“ Part der FCS, aber die Abschlussgespräche zeigen, dass die Freiheiten trotzdem da sind. Es klingt fast paradox: Viele Schüler*innen haben das Gefühl, dass sie nun so richtig mitbestimmen können, dass ihr Wort Gewicht hat. „Kindern das Wort geben“, hat es einer der Leit-Pädagogen der FCS – Celestin Freinet- formuliert – in der O heißt das selbstverständlich „Jugendlichen das Wort geben“.
Gruppenfahrt
„Das ist ja krass die Ebbe, so krass hatten wir die noch nie!“, dieser Satz wird wahrscheinlich noch einige Jahre weiter transportiert werden. Genauso wie diese Momentaufnahme von der Gruppenfahrt auf Wangerooge, hat sich manche Jungs-als-Mädchen-Verkleidungsshow, das Kentern mit dem Kanu auf der Eder oder ein improvisierter Sporttag in der Breisacher Jugendherberge eingeprägt.
Die O-Gruppenfahrten richten sich nach dem Stadt-Land-Fluss-Prinzip. Als die O mit rund 30 Schülerinnen noch klein war, gab es noch Selbstversorger-Freizeiten. Mit 48 Schülerinnen ist es dem hingegen nicht nur schwer einen Bus zu finden, der auch alle Lehrpersonen und Schulbegleiter_innen transportiert, sondern eigentlich fast unmöglich sich selbst zu versorgen.
So sind die Gruppenfahrten schon seit einigen Jahren neu aufgestellt worden.
Das gemeinsame Erleben eines Landschaftsraumes steht nun im Mittelpunkt. Die Stadt, beispielsweise Freiburg mit seinen alternativen Stadtvierteln und Lebensräumen.
Das Wattenmeer: Sylt (Wangerooge oder Langeoog) als Weltnaturerbe erleben. Und das Gebirge: z.B. der Kellerwald und der dort gelegene, eindrucksvolle Edersee mit Bogenschießen, Stockkampf und Kanufahrten. Das sind die drei Ziele.
Schön sind immer auch die Abschluss-abende. Das kann die gemeinsame Spielshow, die Filmparade oder einfach ein Grillabend sein.
Früher waren die Gruppen-fahrten der Abschluss eines Schuljahres, heute bilden sie die Möglichkeit sich in der neu zusammen-gesetzten Gruppe, als auch das Leben und die Landschaft anderswo kennen-zulernen.
In der A-Gruppe ist nur der 10. Jahrgang unterwegs – die Gruppenfahrt wird weitgehend von den Schüler*innen selbst geplant.
Praktikum
„Das hast du alles sauber gemacht? Da hast du fünf Euro Praktikantengeld!“, sagt ein Mann zu mir und drückt mir einen Schein in die Hand. Das war das witzigste Erlebnis meiner bisherigen Praktikums-zeit. Ich glaube, ich werde das Geld morgen in die Spendendose des Tierheims legen.“
Ein Eindruck aus Toms erstem Praktikum im 7. Schuljahr der FCS. Es ist eines von Vieren. In der M hatte er einen Boys Day absolviert und dort bei der Firma „Die Glasperle“ gearbeitet.
Vorbereitet wurde das Praktikum mit einem Kurs „Bewerbungstraining“ im 1.Quartal. Für das Tierheim Darmstadt hat Tom sich telefonisch erkundigt und dann in den Herbstferien per Mail seine Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf, Anschreiben) geschickt. Die Zusage kam prompt.
„Neben den normalen Tätigkeiten (heute mussten die Außengehege von Kot und anderem Dreck gereinigt werden) konnte ich beobachten, wie die Tierfutterspenden für die Hängebauchchweine
geliefert wurden. Ein Supermarkt in Gräfenhausen liefert diese immer einmal die Woche. Dabei habe ich erfahren, dass die Schweine lieber Obst essen als Pilze.“
Die Praktikantentätigkeit dauert in jedem Jahr in O und A 14 Tage und mündet in einer Praktikums-präsentation mit unterschiedlichen Schwerpunkt-stellungen.
„Heute lag mein Schwerpunkt neben den sich wiederholenden Tätigkeiten des Tierpflegers (Reinigen und Füttern) auf einem sehr wichtigen Bereich: Der Vermittlung von den Tieren.
Bekanntermaßen werden viele Tiere ausgesetzt, illegal ins Land gebracht oder die Besitzer_innen kommen mit den Tieren nicht zurecht.“
Für Tom ist es das genaue Abfassen des ersten Praktikumsberichts. Die Schülerinnen im 8. Jahrgang sollen den Beruf auf einem Plakat abbilden. Noch schwieriger wird es für die Schülerinnen des 9. Jahrgangs mit der Formulierung einer These: „Männliche Erzieher sind für die Geschlechtsidentifikation der Jungs in Kindergärten wichtig!“, könnte eine lauten. Diese soll dann durch Beobachtung und Interviews begründet oder widerlegt werden.
„Versprochen ist versprochen – als erstes habe ich mein „Praktikantengeld“ in die Spendenbox des Tierheims gesteckt!“, Tom dokumentiert den Vorgang durch ein Bild. Das Praktikum hat ihm einen guten Einblick in den Beruf den Tierpflegers gegeben. Es ist nicht sein Traumberuf, aber er stellt sich die Frage, was Tierheime mit viel ehren-amtlicher Arbeit bewirken und findet viele Gründe, warum die Einrichtung, in der er 14 Tage verbracht hat, wichtig ist.
Es ist nicht immer nur angenehm und spaßig, aber in den Abschlussgesprächen wird immer wieder der Wert der Praktika hervorgehoben. Für manche ist es der Blick auf den Traumberuf, für andere ein Abgleich mit den Bildern einer in diesem Alter oft kaum fassbaren Arbeitswelt.
FCS Abschluss
DIE Schüler*innen-FIRMEN
Ein integrales Element im Konzept der Freien Comenius Schule sind die Schülerfirmen. Die erfolgreiche Gründung einer Schülerfirma ist bedingender Bestandteil des FCS eigenen Schulabschlusses.
Ökonomische Bildung ist heute ein unverzichtbarer Teil der Allgemeinbildung und die Schülerfirma ein geeignetes Instrument, um sich einen Eindruck von den Tätigkeiten eines Kleinunternehmens und letztlich in die Funktionsweisen der sozialen Marktwirtschaft zu verschaffen. Schülerfirmen sind ihrem Wesen nach fachübergreifende Konstrukte, in welchen die selbstständige Erschließung von Wirklichkeit im Mittelpunkt der schulischen Aktivität stehen. Die Schülerinnen lernen Dinge in sachlich, logisch-begrifflich, kulturellen und historischen Zusammenhängen zu vernetzen und das befördert nachweislich die intellektuellen Fähigkeiten und die Gedächtnisbildung. Darüber hinaus werden Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Eigenverantwortung, Selbstständigkeit gefördert. Somit profitieren alle Schülerinnen persönlich von den Bildungsmöglichkeiten dieses Unterrichtskonzeptes, was in dieser Form im gewöhnlichen Unterricht nicht geleistet werden kann.
Schülerinnen-Firmen sind – anders als der Name vermuten lässt – aus rechtlicher Sicht keine Unternehmen, sondern schulische Veranstaltungen. Sie müssen daher nicht beim Gewerbeaufsichtsamt oder Handelsregister eingetragen werden. Dennoch werden die Strukturen der Schülerfirmen in der Regel echten betrieblichen Realitäten soweit als möglich angepasst. So legen die Schülerinnen zu Beginn fest, in welcher Unternehmensform sie arbeiten möchten, ob sie beispielsweise in einer Schüler*innen-GmbH. Dabei sollen möglichst nachvollziehbar reale Geld- und Warenströme generiert werden mit der Absicht marktfähige Produkte und Dienstleistungen herbeizuführen. Grundsätzlich verantwortlich für alle geschäftlichen Belange sind dabei die Schüler, auch dafür, ob die Geschäftsidee ein Erfolg wird oder nicht.
Praxis
Derzeit ist an der Freien Comenius Schule eine Schülerfirma aktiv, die sich mittlerweile das Prädikat „nachhaltig“ verdient hat. Die schuleigene Imkerei „Honig Royal“ legt nicht nur großen Wert auf die ökologische Nachhaltigkeit ihrer Produkte, sondern sie existiert über die gewöhnliche Projektzeit von einem Quartal hinaus seit drei Jahren erfolgreich. Persönliches Engagement auch in der Freizeit ist dafür unabdingbare Voraussetzung. Mittlerweile wird der Betrieb bereits von der nachfolgenden Schülergeneration fortgeführt. In diesem Fall werden Neulinge von erfahrenen Schülerunternehmerinnen angeleitet. Gelebtes Beispiel für ein gelungenes „Lehrling,-Geselle-Meister-Prinzip“. Der große Erfolg dieses Projektes, der nicht nur auf den großen Wissens- und Erfahrungsgewinn der einzelnen Schülerinnen fokussiert, sondern auch eine emotionale Dimension vorzuweisen hat. Viele Schülerinnen identifizieren sich mit ihrer Firma und sind entsprechend motiviert und leistungsbereit. Verantwortungsgefühl der Gemeinschaft gegenüber, ebenso auch Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten bilden sich spürbar heraus. Die verantwortlich Handelnden treten zunehmend selbstbewusster auf, wenn es beispielsweise darum geht, außerschulische Partner zu finden, mit Institutionen und Sponsoren in Kontakt zu treten oder mit der Schulleitung darüber zu verhandeln, was von dem erwirtschafteten Umsatz an die Schule als Steuer abzuführen sei. Schülerinnen-Firmen ermöglichen Persönlichkeitsentwicklung, vernetztes Denken und letztlich stärken sie die Anschlussfähigkeit der Schüler*innen an wichtige gesellschaftliche Anforderungen und stellen somit ein dynamisches Element der Schulentwicklung und ein Imagegewinn für die gesamte Schule dar.
Die Facharbeit am eigenen Thema
FAQs
Von wem wurde die Facharbeit erfunden?
Wie bei Uwe Timms Buch die „Currywurst“ * gab es sicher eine „Erfindung“.
An der FCS wurde die Facharbeit aber eher entdeckt: Eine Schülerin wollte eine längere Zeit an einer ihr wichtigen Frage arbeiten. Sie tat dies überwiegend in ihrer Freizeit und hat ihre schriftliche Ausarbeitung abgegeben und ihr Thema präsentiert.
War sie die Einzige?
Immer mehr Schülerinnen fanden die Idee gut – ihre Kritik war, dass sie eigentlich keine Zeit hatten und auf sich allein gestellt waren. Wann ist der Funke auf die Lehrer_innen übergesprungen? Eigentlich gleich von Anfang an – aber es dauerte, bis die Strukturen geschaffen werden konnten, damit alle Schülerinnen die Möglichkeit hatten, das Erlebnis Facharbeit zu erfahren.
Was brauchte es?
Zuerst einmal Zeit und dann eine genaue Beschreibung, so dass auch die unterschiedlichen Vorkenntnisse der Jahrgänge nicht zu einer Über- oder Unterforderung führen.
Gab es auch methodische und inhaltliche Unterstützung?
Klar – vor einigen Jahren, beim zweiten Durchgang entstand die Idee, der „Facharbeit über die Facharbeit“. Hier werden über 15 Seiten Tipps gesammelt: Wie findet man ein Thema und wie grenzt man es ein? Wie recherchiert man? Wie überwindet man die Angst vor dem ersten Satz? Wie teilt man sich die Zeit ein?
Was ist das Wichtigste an der Facharbeit?
„Alle Kinder treten als Fragezeichen in die Schule ein und verlassen sie als Punkt“ – meint Neil Postman **. An anderer Stelle sagt er „wer gelernt hat Fragen zu stellen, wirklich essentielle Fragen – der hat gelernt, wie man lernt“ **. Eine Frage stellen, immer weiter in die Tiefe gehen, immer mehr erfahren wollen – das ist das Erlebnis intrinsischer Motivation, heute würde man sagen „Flow“. War das auch tatsächlich die „Entdeckung“ der Schülerinnen?
Ja, sicher zum Teil, was aber noch dazu kommt, ist das Gefühl, etwas geschafft zu haben, ein eigenes Werk fertiggestellt zu haben. Manchmal ist es gar nicht so leicht, die „Spannung“ über diese lange Zeit zu halten. Der Stolz, den wir in den Augen der Schüler*innen bei der Abgabe sahen, hat uns dazu inspiriert, Doktorhüte zu basteln. Jede/r bekommt einen von den Lehrpersonen gebastelten Hut mit einem Bild zu seinem / ihrem Thema.
Einige Themen:
- Künstliche Intelligenz
- Grundlagen der Genetik
- Bau eines Vogelfutterhäuschens
- Jugend im Nationalsozialismus
- Joanne K. Rowling
- Schmuck
- Bau eines Fixies
*Anmerkung: „Die Entdeckung der Currywurst“, Uwe Timm, Köln 1993
** Keine Götter mehr: Das Ende der Erziehung“, Neil Postman, Berlin 1995
*** Gedächtnisprotokoll aus dem Unterricht von Enno Ilka Uhde, ca. 1980
Sozial-Ökologisches Projekt
Vorplanungen
Im Drei-Jahres-Turnus absolvieren unsere Schülerinnen neben dem jährlichen Betriebspraktikum zusätzlich ein sogenanntes „Sozial-Ökologisches Projekt“. Es ist Bestandteil des FCS-eigenen Abschusses. Im Gegensatz zum herkömmlichen zweiwöchigen Praktikum, dauert dieses eine Woche und die Schülerinnen machen hierbei essentielle Erfahrungen fürs Leben. Anhand des Beispiels „Hofgut Oberfeld“ wird eines von vielen möglichen Projekten exemplarisch erläutert.
Inzwischen hat sich ein gemeinsames Auswahlverfahren, das schon zu Beginn des Schuljahres realistische Betriebe, Orte und Institutionen, mit denen wir zusammen arbeiten könnten, auswählt und kontaktiert, herauskristallisiert. Stehen die Projektorte, werden Gruppen eingeteilt, die jeweils von zwei Lehrpersonen betreut werden, die ebenfalls in der Durchführungswoche mit vor Ort sind und tatkräftig mit anpacken.
Beispiel Hofgut Oberfeld
Beim Hofgut Oberfeld wurden jeweils bei den vergangenen drei Durchgängen des Sozial-Ökologischen Projektes vorab mit Katharina Thiel und Johannes Rehmann (Unseren Ansprech-personen im „Lernort Bauernhof“ / Hofgut Oberfeld) vor Ort Aufgaben und Projekte festgelegt.
Was die Schülerinnen der FCS vor Ort schon bewerkstelligt haben: Wege bauen und mit Backsteinen umranden, Ställe streichen, Gärten freilegen, Beete in Schuss bringen, Zaunpfosten setzen, Steine aus dem Garten tragen, Sträucher entfernen, … und vieles mehr. Bei all diesen wichtigen Projekten handelte es sich immer um Arbeiten, die sich der „Lernort“ schon lange wünschte, aber nicht dazu kam. Unsere Schülerinnen kamen sozusagen wie gerufen, um diese Vorhaben in die Tat um zu setzen.
Vorort
Man traf sich am ersten Tag um 9 Uhr morgens und die Gruppen legten nach einer kurzen Einarbeitungsphase los und konnten selbstständig weiterarbeiten. In den Tagen darauf wussten die Schülerinnen, was zu tun ist und konnten so ihr eigenes Projekt beenden. Die Pausen wurden gemeinschaftlich festgelegt und es wurde zusammen gegessen und getrunken. Am Ende eines jeden Arbeitstages hat man sich getroffen und den Tag kurz reflektiert, sich verabschiedet und sich für den kommenden Morgen verabredet. Am letzten Tag versammelte man sich nach getaner Arbeit und Vollendung der Projekte mit den betreuenden Personen des Hofgutes und reflektierte die Woche. Sowohl die Schülerinnen, als auch die Lehrkräfte und die Betreuer des Hofgutes haben stets dazugelernt. Es wurde gelobt, Kritik geäußert, und überlegt, was man beim nächsten Mal noch besser machen könnte.
Nachwirkungen
Am Ende der Woche war jeder müde und zufrieden und wenn man heute am Lernort vorbeigeht, ist (natürlich vor allem für die, die mit dabei waren) augenfällig, was von den Schüler*innen dort geleistet wurde.
DIE BESONDERE LEISTUNG
Feedback
„Birgit, kann ich bei dir in Labor `ne Besondere Leistung machen? Was muss ich denn da machen?“
So eine oder ähnliche Fragen bekommt man als Lehrerin oder Lehrer in den verschiedenen Fächern der O-Stufe immer wieder gestellt.
Aber es geht auch anders herum:
„Leyla, deine Projektmappe hat mich absolut begeistert. Du hast sie so aufwändig, sorgfältig und beeindruckend mit eigenen Illustrationen gestaltet – dafür möchte ich dir gerne eine Besondere Leistung geben!“
Ein wichtiger Teil
Die Besondere Leistung ist Bestandteil des FCS-eigenen Abschlusses, den die Schülerinnen am Ende des 9.Jahrgangs erlangen können. Die Idee dafür stammte von den Schülerinnen selbst, die es schade fanden, dass Leistungen, für die sie sich besonders engagiert hatten, nicht in irgendeiner Weise gewürdigt wurden. Ein Zertifikat bekommt ja jede/r, der/die die Mindestanforderungen eines Kurses erbringt. Für ein Engagement außerhalb der Kurse gab es keine schriftliche Anerkennung.
Der Wunsch nach Würdigung überzeugte- nicht nur die Schülerinnen und das O-Team, sondern auch die Konzeptgruppe. Ohne Einwände wurde die Besondere Leistung in den FCS-Abschluss aufgenommen. Jetzt erbringt jede_r Schüler_in während der Zeit in der O-Stufe mindestens eine Besondere Leistung. Das Fach ist dabei frei wählbar- es kann sich auch um freiwilliges Engagement für ein Schulprojekt außerhalb der Unterrichtszeiten handeln. Die zu erbringende oder erbrachte Leistung wird mit dem/der jeweiligen Lehrer_in besprochen und geklärt. Das Engagement und der Ehrgeiz ist dabei natürlich sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es gibt immer wieder Schülerinnen, die sich vornehmen, in den drei Jahren in der O-Stufe in jedem Fach eine Besondere Leistung zu erbringen – und dies auch schaffen. Anderen genügt es, diese Anforderung in nur einem Fach in Angriff zu nehmen. Beides (und alle anderen Zwischenstufen) wird gewürdigt und hat seine Berechtigung. In jedem Fall spürt man, wie stolz die Schülerinnen über ihre Leistungen sind, wie sehr sie die Anerkennung freut. Unterforderung braucht es bei diesem System nicht zu geben – Material und Ideen, den Kurs oder das Projekt noch weiter zu bereichern und Schülerinnen eine Chance zu geben, sich zu zeigen, sind immer da.
Hier einige Beispiele für bisher erbrachte Besondere Leistungen:
*Nick bietet über mehrere Wochen im Sportunterricht einen Hockeykurs an. Er bereitet dafür Übungssequenzen, Spielabläufe u.s.w. vor und leitet den Kurs.
*Eine Gruppe von Schüler*innen beteiligt sich an dem Theaterprojekt „Dantons Tod“. Es wird auch nachmittags und am Wochenende geübt.
*Miriam übernimmt zusätzlich die Buchführung und Abrechnung für den Frühstücksservice der Arbeitslehregruppe.
*Jana liest im Deutsch-Lektürekurs ein weiteres Buch und schreibt eine Rezension darüber.
*Florian unterstützt im Labor-Kurs seine MitSchüler*innen und Lehrerin durch seine Fachkompetenz und seine hilfsbreite Unterstützung.
DAS ABSCHLUSSGESPRÄCH
Die vier Seiten einer Nachricht hat Friedemann Schulz von Thun schon eingangs der 80er Jahre beschrieben. Neuerdings beschreibt er auch die andere Seite: Die „vier Schnäbel“: die auf der Sachebene, der Beziehungsebene, der Appell-Ebene und der Ebene der Selbstkundgabe zwitschern.
Auch die Botschaften, die wir uns nun schon einige Jahre zwischen Schülerinnen und Lehrpersonen hin und her funken, unterliegen diesem Kommunikations-Quadrat. Das müsste es eigentlich schwer machen, aber irgendwie erscheint es oft leicht, weil beide Seiten mit wachem Blick, viel Herz und optimaler Authentizität die gemeinsame Zeit an der FCS in Augenschein nehmen. Den Begriff „Optimale Authentizität“ hat Schulz von Thun übrigens von Ruth Cohns Themen-zentrierter Interaktion (TZI) übernommen. Er bedeutet, dass man bei der Selbstoffenbarung auch immer darauf achtet, was mit dem anderen passieren könnte.
Selbstreflexion
Der Wert dieser Austausche ist nicht messbar. Für die Schüler*innen soll es die Gelegenheit sein, sich selbst innerhalb des Systems FCS zu reflektieren und die eigenen Entwicklungsschritte noch einmal nachzugehen. Aufgabe der Lehrpersonen ist zuerst die Begleitung, weiter bieten die vielen konkreten
Erfahrungen Möglichkeiten, in Zukunft etwas zu ändern.
Systemcheck
Als Schülerinnen auffällt, dass Zertifikate ihrer Ansicht nach zu spät ausgegeben werden und sich damit der gewünschte Rückmelde-Effekt verflüchtigt, war das für die Lehrpersonen der Weckruf, dass System zu effektivieren. Der Wunsch nicht im neunten Schuljahr von der Notenkeule erschlagen zu werden, wurde aufgenommen: Heute können – nach Absprache zwischen Schülerinnen, Eltern und Lehrpersonen – mündliche Rückmeldung in Form von Noten auch schon im 8. Schuljahr eingeholt werden. Neuester Punkt sind die Dienstags-Angebote. Sie wurden konzipiert, um einen Bereich zu schaffen, der unbenotet und unbeurteilt ist.
Andererseits fehlt den Schülerinnen inzwischen hier der Wert und sie sehen weitere Möglichkeiten, diese Zeit sinnvoll zu nutzen: Schülerinnenfirmen, eigene Projekte, Mini-Sprachkurse wurden als Verbesserungsvorschläge genannt.
Die Abschlussgespräche werden mit einem ein Quartal dauernden Deutschkurs und vielen Schreibanregungen vorbereitet.
Auch wenn jede Kommunikation so ihre vier Seiten hat, so pointieren die Abschlussgespräche doch das Zentrum der aktuellen O-Entwicklung und haben sich mit ihrem reflexiven Charakter zu einem wichtigen Meilenstein entwickelt.
*Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden 1 – Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Rowohlt, Reinbek 1981, ISBN 3-499-17489-8.