Gestern, heute, morgen

Der 100. Blog-Beitrag in unserem im Februar 2020 neu aufgelegten Blog sollte ein ganz besonderer sein und ich glaube er ist es auch.
Zwei Jahre agieren wir nun schon innerhalb der Pandemie – dabei geriet die regelmäßige Frage nach der Weiterentwicklung der FCS in den Hintergrund. Schlimmer noch die Hygieneregeln erschwerten den wichtigen kollegialen Austausch.
Nachdem das letzte Teamwochenende digital stattfand, war es uns wichtig, einmal in Präsenz länger innezuhalten – nachdenken wo wir stehen und wo wir gemeinsam (mit Schülerinnen, Eltern und als Ausgangspunkt im Team) hinwollen. Das Motto „Gestern, heute, morgen“ beschäftigte uns in unseren Treffen in der Schule (am Donnerstag) und im Jugendhof Bessunger Forst (am Freitag und Samstag). Dabei kam uns die Idee, einmal ganz an den Anfang zurückzugehen und mit den beiden ersten Lehrern der FCS Rainer und Matthias zu sprechen.
Was war das für eine Stimmung … 1982 bis 1986 und in den ersten Jahren? Wie (harmonisch) und zielgerichtet verlief die Zusammenarbeit mit den Gründungs-Eltern und auch mit dem Schulamt? Auf was sollten wir Kinder heute und in Zukunft vorbereiten? …waren einige der Fragen, die wir an sie richten wollten.
Interessant und ungewöhnlich war der Ansatz von Matthias. Wir standen im Kreis, rückten näher zusammen, legten uns die Hände auf die Schultern und Matthias forderte uns auf, stimmlich auszudrücken, wie uns der Krieg in der Ukraine betrifft. Natürlich ist Solidarität wichtig, aber der Zirkelschluss war auch ein anderer. Matthias These war, dass reformpädagogische (Weiter-)Entwicklungen oft in krisenhaften Zeiten ihren Anfang nehmen.
In einem weiteren Impuls mit Fibeln, Büchern und Plakaten ging es darum, weitere (als die oben genannten) Fragen zu sammeln. In einer Runde erzählten Matthias und Rainer, welche Geschichten und Stimmungen ihnen dazu einfielen. Toll die beiden wieder- und neu zusehen und kennenzulernen. Besser als ich es hier ausdrücken kann, beschreibt es Matthias Vorbereitungstext, der hier deshalb in Originalfassung Eingang in diesen Jubiläums-Blogbeitrag findet.
*Patrick hat übrigens Matthias schon für ein geplantes Projekt für Schüler*innen zur geschichtlichen Betrachtung unserer Schule angefragt.
*Tipp auch an die Eltern – wie wäre es mit einer Reihe zu den pädagogischen Leitplanken der FCS – uns haben durch die Erzählungen von Matthias und Rainer einen wunderbaren Ausgangspunkt für eine Fortentwicklung der FCS in diesen wilden, digitalen, manchmal auch schaurigen ersten 20er Jahren des neuen Jahrhunderts gegeben – und dazu Kraft, Mut und Gelassenheit.
Wie weit diese führen werden, bleibt selbstverständlich offen, denn es wird ein gemeinsamer Prozess aller Menschen an der FCS sein (müssen).

Und… wie oben angekündigt:

*Matthias Heinrichs
Vorbereitung meines Beitrags zum Teamwochenende der FCS am 4.3.22

Ihr habt mich eingeladen mich zu erinnern.
Dafür: Herzlichen Dank!
Erstens ein Warnung: Ich bin sehr schlecht im Erinnern. Meistens frage ich Moni.
Zweitens eine vielleicht überflüssige Feststellung: Erinnern ist immer eine Konstruktion. Das Wissen alle, die gerne Tatort gucken oder Krimis lesen.
Was ich also zu erzählen habe, ist, was die Authentizität angeht mit äußerster Vorsicht zu genießen. Ihr solltet Euch also nicht fragen, ob das wahr ist, sondern ob es für Euch anregend & nützlich ist. Natürlich gibt es immer wieder mal Situationen, in denen ich über meine Zeit an der Comenius-Schule erzähle. Das sind dann kleine Anekdoten oft angeregt durch eben diese Situation. Als Birgit mich gefragt hat, war für mich völlig klar, dass ich keine Lust habe, mehr oder weniger zufällig Anekdoten zu erzählen. Was mich gereizt hat, war meine Neugier? Mich interessiert, was aus der FCS geworden ist und wie ihr, die Jungen weiter machen wollt, wenn die alten demnächst in Rente gehen. Mich interessiert auch, ob wir uns überhaupt etwas zu sagen haben. Wenn ihr mich fragt, ist der Generationenwechsel, der euch bevor steht die Chance für ein umfassendes Update, würde man heute sagen, für eine Neuerfindung der FCS.
Tatsache ist jedenfalls, dass fast alle Probleme, heute sagt man Herausforderungen, mit denen sich meine Generation konfrontiert sah, nach wie vor nicht gelöst sind: Wohnungsnot, Geschlechtergerechtigkeit, Kolonialismus, Krieg, Kinderrechte. Es sind einige neue dazugekommen: Klima, soziale Medien, Rohstoffknappheit… Alternative Schulprojekte sind Reaktionen auf gesellschaftliche Krisensituationen.
Sie greifen die Versuche zu ihrer Bewältigung auf und entwickeln daraus eine Zukunftsstrategie.
Comenius reagierte auf den 30jährigen Krieg.
Freinet kam als schwerverletzter Soldat aus dem 1. Weltkrieg.
Maria Montessori reagierte als Kinderärztin auf Not und Armut in ihrer Zeit.
Paul Geheeb, der Gründer der Odenwaldschule und später der Ecole humanité reagierte auf die Schrecken des 2. Weltkriegs genauso wie Alexander S. Neill mit Summerhill.
Bei ihm ging es außerdem um die atomare Bedrohung. Janusz Korcak reagierte auf den Holocaust.
Und die Comenius Schule?
Die dabei entstehenden Konzepte sind Versuche, die Verletzungen der Erwachsenen zu heilen und gleichzeitig Ausdruck der Hoffnung. Menschen, die eine alternative Schule gründen, glauben fest daran, dass sie damit einen Beitrag zur Verbesserung, vielleicht sogar Rettung der Welt leisten. Selbstüberschätzung bis zu wahnhaften Vorstellungen gehören also zu einer Schulgründung zwangsläufig dazu.

Eine letzte kleine akustische Reminiszenz:
„Wir bauen eine Schule“ – „Lehrerband“ (mit allen damaligen Lehrpersonen, u.a. Matthias am Bass und Rainer an der Violine)
– auf dem „LIchterfest“, kurz vor der Eröffnung des neuen O-Gebäudes im Jahr 2006.

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